Ist es nicht schon mühsam genug, wenn ich in meinem Leben versuche, nach den zehn Geboten zu leben? Muss es dann auch noch besondere Gebote von der katholischen Kirche geben? Muss man Christen so bevormunden?
Für viele sind die sogenannten Kirchengebote verstaubte Relikte einer längst vergangenen Erscheinungsform der katholischen Kirche. Diese Gebote der Kirche, fünf insgesamt, gibt es als festen Katalog seit dem Konzil von Trient, das 1563 zu Ende ging.
Aufgestellt wurde dieser Katalog, um ein Mindestmaß der Teilnahme am kirchlichen Leben zu sichern. Die fünf Gebote haben ihren Ursprung im Leben der Kirche. Sie sind Ausdruck seelsorgerlicher und menschlicher Erfahrung. Modern gesprochen: Die Kirche redete den Katholiken ins Gewissen, damit ihnen deutlich wurde: ich kann nicht gleichgültig bleiben, wenn ich auf Erlösung hoffe. Und ich muss durch mein Verhalten zeigen: Christsein ist kein Lippenbekenntnis.
Und so wurde den Katholiken Folgendes ins Stammbuch geschrieben: "Feiere den Sonntag als Tag des Herrn". Wo das nicht geschieht, kann der Sonntag in der Woche untergehen, so die Angst der Kirchenoberen. Darum gibt es ein zweites Gebot zum Sonntag: "Nimm an Sonn- und Feiertagen regelmäßig an der heiligen Messe teil". Diese Regelung ist als Sonntagsgebot bekannt.
Ein weiteres Gebot lautet "Halte die gebotenen Fasttage", verzichte also am Aschermittwoch und am Karfreitag auf Fleisch und Genussmittel. Außerdem ist jeder Freitag ein Fasttag, wobei die Kirche nicht vorgibt, wie zu fasten ist. Hinter diesen Mahnungen zum Fasten steht der Gedanke: Verzicht öffnet die Seele für die Begegnung mit Gott.
Das vierte Gebot regelt den Empfang der Sakramente Buße und Eucharistie. Diese Zeichen der Nähe Gottes sollen Katholiken wenigstens einmal im Jahr in der Zeit um Ostern herum empfangen. Das fünfte und letzte Gebot sagt kurz und knapp "Hilf deiner Kirche und Gemeinde". Hier wird allerdings nicht verlangt, einfach nur das zu machen, was andere wollen.
In früheren Zeiten wurde streng auf die Einhaltung der Kirchengebote geachtet und mit Kirchenzucht gedroht. Heute werden die fünf Gebote der Kirche eher Weisungen genannt. So werden sie deutlich unterschieden von den 10 Geboten der Bibel. Außerdem macht der mildere Begriff "Weisung" deutlich: die Ausführungen dienen der Orientierung und sind keine Bevormundung.
Sie erinnern daran: Christsein ist mehr als getauft zu sein. Glaubende sind auf andere angewiesen, denn der Glaube kommt vom Hören.
Autor: Andreas Brauns
Aus: "Noch eine Frage, Herr Pfarrer. 111 himmlische Antworten", LVH, 2010.